Das gesamte System Mensch betrachten
Schuldnerberatung des Caritasverbandes Siegen-Wittgenstein feierte 25-jähriges Jubiläum
„Briefe von der Sparkasse mache ich schon nicht mehr auf.“ Es sind Sätze wie diese, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schuldnerberatung des Caritasverbandes Siegen-Wittgenstein bei ihrer täglichen Arbeit hören – und das seit mittlerweile 25 Jahren, denn im Jahr 1994 wurde die Anlaufstelle in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt gegründet. Ein guter Grund also, zu einer Feierstunde einzuladen, zu der Matthias Vitt als Vorsitzender des Caritasverbandes die Gäste begrüßte. „Bei der Schuldnerberatung geht es nicht nur darum, Geld herauszugeben, sondern viel mehr, das Leben der Betroffenen neu zu organisieren und sie in die Lage zu versetzen auf eigenen Beinen zu stehen“, betonte er. Im vergangenen Jahr hätten die Mitarbeiter mit 485 Kurzzeitberatungen und 626 längerfristigen Unterstützungen helfen können.
Iris Dittmann als Leiterin der Beratenden Dienste umriss die Entstehungsgeschichte der Schuldnerberatung von der Gründung durch Thomas Griffig im Jahr 1994 bis heute. Christoph Eikenbusch vom Diözesan-Caritasverband Paderborn gab nachfolgend einen umfangreichen Überblick über die Entwicklungen der vergangenen 25 Jahre. Die erste Schuldnerberatungsstelle war 1977 in Ludwigshafen eingeweiht worden, Siegen und andere Orte folgten dem Beispiel. Dabei sei auch die Frage diskutiert worden, warum ein kirchlicher Träger und nicht die Banken selbst eine solche Anlaufstelle bieten sollten. Die Antwort sei hier, so Eikenbusch: „Die Schulden sind oftmals nur ein Symptom. Es geht um das gesamte System Mensch, dem wir helfen wollen.“ Eine Überschuldung könne jeden treffen, betonte Eikenbusch. Daher müsse jeder Fall differenziert und individuell betrachtet werden. „Die Beratung auf Augenhöhe motiviert die Betroffenen auch, langfristig mit uns zusammen zu arbeiten.“ Die mit Abstand häufigste Verschuldungsursache sei Arbeitslosigkeit, gefolgt von Krankheit und Suchtproblematiken – besonders bei Älteren –, Unfällen, Trennung/Scheidung und unwirtschaftlicher Haushaltsführung – besonders bei jungen Menschen – oder gescheiterter Selbständigkeit. Zudem nehme die Altersarmut immer mehr zu.
Bianca Braun ergänzte die Liste noch um weitere Punkte wie dauerhaftes Niedrigkeinkommen und gescheiterte Baufinanzierungen. Die Bankkauffrau und Sozialarbeiterin ist eine von vier Mitarbeitenden im Team der Schuldnerberatung des Caritasverbandes Siegen-Wittgenstein. Gemeinsam mit Dipl. Theologe und Sozialarbeiter Dieter Sommer, Volljuristin Tanja Kraus sowie Industriekauffrau Ulrike Domian durfte sie sich über einen Geburtstagskuchen freuen. Sie stellte das fiktive Beispiel einer Familie vor, deren Mitglieder allesamt mit Schulden zu kämpfen haben. Dabei betonte sie, „dass es die Familie wirklich sehr hart getroffen hat“, denn um einen anschaulichen Überblick zu geben, habe man alle möglichen Themen aufgegriffen. Bianca Braun verwies anhand des Beispiels auf die möglichen Wege aus der Überschuldung wie die Privatinsolvenz und vorhandene Instrumente wie das Pfändungsschutzkonto oder Vergleichsangebote.
Wie belastend eine solche Situation für die Betroffenen sein kann, wurde anhand der Ergebnisse einer Studie deutlich, die Dieter Sommer vorstellte. Demnach leide der Großteil der Betroffenen unter einer Krankheit, über die Hälfte seien gar chronisch erkrankt. „Bereits erkrankte Schuldner haben Probleme bei der Versorgung mit Arznei- und anderen Hilfsmitteln und machen um ihrer Gesundheit willen weitere Schulden“, fasste Sommer zusammen.
Tanja Kraus schließlich skizzierte, wie man auch als Außenstehender Betroffenen helfen könne: „Alle Unterlagen müssen gesichtet und sortiert, Briefe regelmäßig geöffnet werden. Eine Schufa-Auskunft und ein Haushaltsbuch bringen einen guten Überblick über vorhandene Verpflichtungen sowie die Ein- und Ausgaben.“ Zudem könnten in manchen Fällen weitere Anträge auf Unterstützung gestellt und eventuell Kontakte zu weiteren Beratungsstellen vermittelt werden. Sie verwies zudem auf Informationsmaterial, das im Foyer ausgelegt worden war. Dort blieben die Gäste der Feierstunde noch bei einem Imbiss mit angeregten Gesprächen beisammen. Dabei wurde auch der passend dekorierte Kuchen angeschnitten und serviert.